Das 18. Jahrhundert: Transfer und Adaption europäischer Ideen im russischen historischen Kontext

Das 18. Jahrhundert: Transfer und Adaption europäischer Ideen im russischen historischen Kontext

Organisatoren
Deutsches Historisches Institut (DHI) in Moskau
Ort
Moskau
Land
Russian Federation
Vom - Bis
16.06.2006 - 17.06.2006
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Von
Claus Scharf (Mainz)

In den vergangenen fünfzehn Jahren fanden in Deutschland und Russland mehrere Konferenzen über die Frage statt, wie Texte, Theorien, wissenschaftliche Praktiken und Erfahrungen aus dem westlichen und mittleren Europa im Zeitalter der Aufklärung ins Russische Reich gelangten, dort aufgenommen und abgewandelt wurden. Mit Begriffen wie „Transfer“, „Rezeption“ und „Adaptation“ wird in jüngerer Zeit versucht, den oft immer noch vage so genannten „geistigen Einflüssen“ aus dem Westen konkret auf die Spur zu kommen. Die vielfältigen interdisziplinären Beiträge der meisten jener teils bilateralen, teils internationalen Tagungen liegen im Druck vor.1

An diese Serie, zu der neben den nationalen Gesellschaften für die Erforschung des 18. Jahrhunderts unterschiedliche Institutionen beisteuerten, knüpfte am 16. und 17. Juni 2006 eine Konferenz an, bei der als ein neuer Veranstalter und Gastgeber erstmals das Deutsche Historische Institut in Moskau in Erscheinung trat. Professor Bernd Bonwetsch, der Direktor des Instituts, verband seine Begrüßung der russischen und der deutschen Teilnehmer mit einer knappen Vorstellung der Zielsetzungen, der Arbeitsschwerpunkte und der Förderungsangebote der im September 2005 eröffneten Neugründung. Sie soll vor allem ein Stützpunkt für die russische Deutschlandforschung und die deutsche Russlandforschung werden. Einen besonderen Dank für die wissenschaftliche Planung der Konferenz richtete Bernd Bonwetsch an den wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. Andrej V. Doronin, für die administrative Abwicklung an die Verwaltungsleiterin des Instituts, Dr. Brigitte Ziehl. Ein Grußwort sprach auch Jurij S. Pivovarov, Direktor des INION (Institut für wissenschaftliche Information auf dem Gebiet der Gesellschaftswissenschaften), jener Einrichtung der Rußländischen Akademie der Wissenschaften, in deren Gebäude das Deutsche Historische Institut seinen Sitz hat.

In dem mit 21 Vorträgen an zwei Tagen überaus dichten Programm dominierten Themen der allgemeinen Geschichte und der Geschichte der Wissenschaften und der Technik, wobei auf allen Feldern jeweils mehrere Beiträge der Rolle der Deutschen im Russischen Reich des 18. Jahrhunderts gewidmet waren. Manche Teilnehmer referierten den Forschungsstand oder vorausgegangene eigene Untersuchungen, andere knüpften an ihre früheren Arbeiten an oder präsentierten noch nicht veröffentlichte Ergebnisse ihrer aktuellen Forschungen.

Aleksandr B. Kamenskij (Moskau) konzentrierte sein Referat über die von der westlichen Aufklärung inspirierten Reformen Katharinas II. auf eine mögliche Neubewertung der Gouvernementsreform von 1775. Wie die „neue imperiale Geschichte“ einschließlich einer „reichsgeschichtlichen“ Sicht auf den Pugačev-Aufstand nahelege, habe sich die Reform von 1775 mit einer territorialen und personalintensiveren Neugliederung, einer Dezentralisierung von Behörden, dem Ausbau einer lokalen Selbstverwaltung und einer verbesserten inneren Sicherheit in den Provinzen als langfristig überaus stabilisierend erwiesen. Claus Scharf (Mainz) verwies in einem Überblick über den Wandel der Staatsauffassung in Russland unter dem Einfluss der Aufklärung auf die Fortwirkung der altrussisch-orthodoxen Tradition bis zum Ende der Zarenzeit, doch habe Peter der Große eine in Europa beispiellose absolute Herrschaft ergänzend auch im Interesse des „gemeinen Wohls“ mit der naturrechtlichen Vertragstheorie westlicher Provenienz begründet und sich sogar die willkürliche Regelung der Thronfolge angemaßt. Ohne die Alleinherrschaft aufzugeben, habe erst Katharina II. mit der Adaptation despotiekritischer Ideen und Modelle westlicher Provenienz (Montesquieu, dessen deutsche Rezipienten, Beccaria, Blackstone) konsequent versucht, Russland zu einer „Gesetzesmonarchie“ mit ständischen Elementen umzugestalten. Elena N. Marasinova (Moskau) diskutierte im Hinblick auf die Beziehungen zwischen Herrscher und Bevölkerung den Gebrauch der Begriffe „rab“, „poddannyj“ und „graždanin“ im 18. Jahrhundert, die annähernd den zeitgenössischen deutschen Begriffen „Diener“, „Untertan“ und „(Staats-)Bürger“ entsprachen. Trotz ihrer unterschiedlichen Entstehungszeiten blieben die Termini in der zweiten Jahrhunderthälfte durchaus gleichzeitig in Geltung, „rab“ als Ausdruck emotionaler Unterwürfigkeit, „poddannyj“ als Begriff der sozialen Kontrolle und „graždanin“ neben sich auffächernden anderen Bedeutungen zunehmend auch im Sinn von „citoyen“ für ein Subjekt mit eigenen Freiheitsrechten.

Igor’ V. Kurukin (Moskau), dessen ausführliche Neuinterpretation der Verfassungskrise von 1730 und ihrer Akteure mit einem Dokumentenanhang ihrer Projekte demnächst im Druck erscheinen wird, differenzierte die politischen Positionen der rivalisierenden Parteien, die in der Historiografie früher oft vereinfachend als oligarchische oder konstitutionelle Gegner einerseits und als Anhänger der uneingeschränkten kaiserlichen Herrschaft andererseits dargestellt wurden. Um Zwischenpositionen des Verhaltens erkennbar zu machen, sei es aufschlussreich, das jeweilige Niveau des politischen Bewusstseins der Protagonisten zu ermitteln. Dabei komme einer unterschiedlichen Auslegung der Pufendorfschen Vertragstheorie eine Schlüsselbedeutung zu. Erst mit den Reformen unter Peter dem Großen, den neuen Institutionen, den neuen zivilen und militärischen Rängen und der Idee des individuellen Dienstes wurde es nach der Darstellung von Nikolaj N. Petruchincev (Lipeck) überhaupt möglich, dass Deutsche nicht als geschlossene nationale und soziale Gruppe, sondern unter der Rubrik „Ausländer“ in die russische politische Funktionselite aufstiegen. Für solche Karrieren wurden die Voraussetzungen zwischen 1698 und 1740 immer günstiger, für Deutsche weniger in der Flotte als vielmehr im Heer, in der Diplomatie und in den Kollegien. Der Autor stellte nicht nur quantitative Erhebungen zum wachsenden Anteil der Deutschen im Staatsdienst vor, sondern wies mit den Namen Heinrich Fick, Heinrich Ostermann und Burkard Christoph von Münnich auch auf prominente Einzelbeispiele hin. Evgenij E. Ryčalovskij (Moskau) referierte aus den Akten der Geheimen Kanzlei der Regierungszeit der Kaiserin Elisabeth, wie Ausländer in als „politisch“ geltenden Ermittlungs- und Gerichtsverfahren, die aber auch strittige Fälle des Übertritts zur Orthodoxie betrafen, behandelt wurden und wie sie sich selbst im fremden Justizwesen als Anzeigende, Kläger, Zeugen und Beschuldigte verhielten. Dabei sind aus den Einzelfällen kaum zu verallgemeinernde Schlüsse zu ziehen, doch sei die Rechtskenntnis der Ausländer im ganzen keineswegs schlechter gewesen als bei russischen Untertanen.

Vera A. Kovrigina (Moskau) betonte im Anschluss an ihre umfassenden Forschungen zur Nemeckaja sloboda, der „Deutschen Vorstadt“, die maßgebliche Rolle der Deutschen in Moskau für die Realisierung der Reformen Peters des Großen und den Wandel des Alltagslebens zunächst des Adels und später auch anderer sozialer Schichten nach europäischem Vorbild. Als Handwerker hätten sie zu den materiellen Innovationen beigetragen, als Personal adliger Haushalte und als Lehrer der neuen Bildungseinrichtungen auch zur Veränderung der gesellschaftlichen Normen und zur Bildung. Viktor N. Zacharov (Moskau) erkannte den deutschen Kaufleuten und Handelsfirmen in St. Petersburg, Moskau, Archangel’sk und weiteren Städten im Binnenland nicht nur unter allen Handelsnationen ein numerisches Übergewicht in der Regierungszeit Katharinas II. zu, sondern hob auch die Vielfalt ihrer Unternehmensformen und Geschäfte hervor. Allerdings habe der Transfer ihrer Erfahrungen an russische Kaufleute erst zögernd und dann nicht etwa konsequent in den Unternehmen oder in Schulen, sondern höchstens informell durch das Beispiel begonnen. Zu engeren Beziehungen zwischen deutschen und russischen Kaufleuten sei es jedoch schon seit den 1720er Jahren im Wechsel-, Kredit- und Kommissionsgeschäft gekommen, so dass hauptsächlich darin der deutsche Beitrag zur Modernisierung des russischen Kommerzwesens zu sehen sei. Igor’ N. Jurkin (Moskau) stellte den Transfer europäischer wissenschaftlicher und technischer Kenntnisse seit dem 17. Jahrhundert durch sächsische und preußische Unternehmer und Meister auf den Gebieten des Erzbergbaus und der Metallverarbeitung vor. Sächsische Erfahrungen seien auch in die Gründung und in die Frühphase des Berg-Kollegiums eingeflossen und hätten sich auf die Verwaltung der staatlichen Unternehmen und die Regulierung der Arbeit ausgewirkt. Schon in den 1730er Jahren hätten preußische Spezialisten in der Tulaer Waffenfabrik russische Schüler systematisch ausgebildet. Georg Schuppener (Leipzig) machte anhand von drei deutschsprachigen Veröffentlichungen über das Russische Reich – Jacob Fries (1790), Joachim Graf von Sternberg (1794) und Heinrich Storch (1795) – auf den Gebrauch und die Funktionen statistischer Angaben aufmerksam. Solche Angaben nicht nur für Klima, Geographie, Distanzen, Bauwerke, Bevölkerung, Militär und Handel, sondern auch für Verwaltung, Religion, Bildung und Kultur hätten im Sinn der Aufklärung der Objektivierung und Vergleichbarkeit der landeskundlichen Darstellungen und Reisebeschreibungen dienen sollen.

Simon S. Ilizarov (Moskau) gab einen Überblick über die Bedeutung der ersten Generation europäischer Gelehrter an der Petersburger Akademie der Wissenschaften für die überaus rasche Implementation wissenschaftlicher Projekte, Verfahren und Standards in Russland, für die Einführung einer akademischen Arbeitsorganisation und Disziplin, für die Vermittlung eines wissenschaftlichen und aufklärerischen Ethos und für den umgehenden Anschluss und die fortdauernde Bindung an die europäische Gelehrtenrepublik. Als Hauptschwerpunkte prägten sich früh die Mathematik und die interdisziplinäre Erforschung der natürlichen Ressourcen des Landes durch die räumlich und zeitlich ausgedehnten Expeditionen aus. Speziell auf die deutschen Gelehrten in Russland seit Peter dem Großen, auf ihre naturwissenschaftlichen Forschungsgebiete und auf ihre russischen Schüler und Mitarbeiter ging Boris A. Starostin (Moskau) ein. Aus diesen Anfängen habe sich eine feste Tradition der bilateralen Kooperation zwischen deutschen und russischen Wissenschaftszentren entwickelt. Maja B. Lavrinovič (Moskau) wies nach, dass sich Lomonosovs Schrift „Über die Erhaltung und Vermehrung des rußländischen Volkes“ (1761) in den Kontext der zeitgenössischen populationistischen Theorien fügt. Die Quellen des in Briefform verfassten Textes lassen sich nicht genau nachweisen, doch lernte Lomonosov wenig später in deutscher Übersetzung eine einschlägige Schrift des englischen Ökonomen William Bell kennen. Sehr wohl seien die vergleichbaren bevölkerungstheoretischen Thesen von Süßmilch und Bielfeld aber Johann Gottfried Reichel, seit 1757 Historiker an der Universität Moskau, vertraut gewesen, der spätestens 1766, nach dem Tode Lomonosovs, auch dessen Projekt gekannt habe. Dieter Hüning (Marburg) interpretierte die „Instruction“ Katharinas II. als einen geschickten Rückgriff auf die Naturrechtsprinzipien und den Historismus Montesquieus sowie auf Beccarias Forderungen einer Strafrechtsreform. Im Ergebnis zeige sich jedoch ein Beweis für das Vertrauen des 18. Jahrhunderts in die Machbarkeit von Verfassungen, wenn doch der politische Wille der Kaiserin und der Mehrheit der Deputierten der großen Gesetzbuchkommission zu einschneidenden Veränderungen gefehlt habe.

Aleksandr Ju. Samarin (Moskau) stellte mit Johann Michael Hartung, Johann Karl Schnoor und Bernhard Theodor Breitkopf exemplarisch die erste Generation der deutschen Unternehmer des grafischen Gewerbes und des Buchhandels in Russland vor. Aus ungedruckten Quellen konnte er nachweisen, dass diese Männer ihre wirtschaftlichen Erfolge sowohl ihrer technologischen Erfahrung und ihrer privaten Initiative als auch den Privilegien und der Vertrautheit mit den staatlichen Strukturen verdankten. Darüber hinaus hätten sie ihre Funktion in der Verbreitung der Aufklärung in übereinstimmenden Äußerungen als unentbehrlich dargestellt. Vladimir A. Somov (St. Petersburg) verfolgte die Entwicklung des wahrhaft europäischen Buchhandelshauses Fauche und seine engen Beziehungen mit Russland vom ancien régime bis in die napoleonische Zeit. Von seinem Stammsitz in Neuchâtel aus gründete es zunächst Filialen in anderen Ländern, doch nach 1789 spezialisierte es sich auf antirevolutionäre und royalistische Literatur und musste deshalb emigrieren. So wurde von Hamburg aus bis zur napoleonischen Annexion der „Spectateur du Nord“, mit vielen Informationen auch über Russland, herausgegeben, doch scheiterte eine geplante Übersiedlung des Unternehmens nach Russland.

Galina I. Smagina (St. Petersburg) gab auf der Basis ihrer langjährigen Forschungen einen periodisierenden Überblick über die Geschichte der Bildungsreformen in Russland von Peters des Großen Schulgründungen bis zu dem flächendeckenden Netz städtischer Normalschulen im Ergebnis des Volksschulstatuts Katharinas II. von 1786. Eine maßgebliche Mitwirkung an den staatlichen Zielsetzungen und an der Realisierung erkannte sie der Petersburger Akademie der Wissenschaften und deren Gelehrten zu. Andrej Ju. Andreev (Moskau) charakterisierte die Gründungen der Universitäten im Russischen Reich im 18. und frühen 19. Jahrhundert als Beispiele für die Adaptation einer europäischen Idee. Dabei hätten die engen Verbindungen mit den protestantischen Universitäten im Heiligen Römischen Reich durch die deutschen Gelehrten in Russland, die russischen Studenten an deutschen Universitäten und die anfängliche und fortdauernde Orientierung der Organisationsformen am deutschen Vorbild letztlich den Ausschlag gegeben, obwohl bis in die Zeit Peters des Großen auch die jesuitischen Universitätsgründungen und -reformen als Modelle in Betracht gezogen worden waren. Mit der Reformuniversität Göttingen entstand auch in Russland ein Zielkonflikt, an welchem Typus der deutschen Universität und an welchem Ausmaß der Autonomie oder der staatlichen Kontrolle man sich orientieren solle. Irina P. Kulakova (Moskau) richtete den Blick auf das Problem, in welchen Formen sich mit dem europäischen Modell der Universität in Russland eine universitäre Alltagskultur entfaltete. Ihr Beitrag mündete in die These, dass sich die Züge der traditionalen patriarchalischen russischen Gesellschaft auch in den autoritären Klientelbeziehungen an der Universität wiederfinden lassen, dass aber jenseits der institutionalisierten Normen aus der universitären Symbolik auch auf die entstehende studentische Subkultur geschlossen werden könne.

Ingrid Schierle (Tübingen) untersuchte, wie die von Frankreich ausgehende und auch in Deutschland in den 1760er Jahren lebhafte Debatte über den Nationalgeist in Russland rezipiert und adaptiert wurde. Katharina II. habe einerseits ihre Untertanen zu einem „europäischen Volk“ aus unterschiedlichen ethnischen Wurzeln deklariert, das durch Gesetze und Bildung zur Vaterlandsliebe erzogen sei, andererseits aber dem russischen Ethnos als Träger des Nationalgeistes eindeutig Vorrang eingeräumt. Anschließend exemplifizierte die Autorin diese Ausgangsthese im Vergleich des deutschen Originals der Völkerbeschreibung von Johann Gottlieb Georgi mit der russischen Übersetzung von 1799, um den Umgang mit dem Eigenen und dem Fremden zu ermitteln und die spezifischen Begriffsfelder im Russischen erschließen zu können. Kristina Küntzel-Witt (Hamburg) unterstrich die führende Rolle deutscher Gelehrter bei der Erforschung Sibiriens im 18. Jahrhundert des Russischen Reiches. In den Mittelpunkt stellte sie die 1752 beginnende Debatte über die Ausdehnung Sibiriens im Nordpazifik zwischen den Geographen Samuel Engel aus der Schweiz und Didier Robert de Vaugondy aus Frankreich einerseits und den deutschen Gelehrten Gerhard Friedrich Müller, Anton Friedrich Büsching und Peter Simon Pallas andererseits, die, wissenschaftlich korrekt und zugleich patriotisch, die mit Vorurteilen gespickte Kritik an den Ergebnissen der russischen Akademie-Expeditionen überzeugend zurückwiesen. Abschließend stellte Andrej Doronin (Moskau) sein Forschungsprojekt vor, das den ideologischen Konstrukten gilt, die der Bruch Peters des Großen mit der Tradition erforderlich machte, konzentrierte sich aber auf das Problem der nationalen Identität in der Geschichtsschreibung des 18. Jahrhunderts zwischen rußländischem Patriotismus und russischem Nationalbewusstsein. In der Diskussion mit den deutschen Normannisten habe Michail Lomonosov mit seiner Betonung der ethnischen Herkunft auf Positionen der italienischen Historiker der Renaissance zurückgegriffen, sich jedoch damit aus reichspolitischen und immanent wissenschaftlichen Gründen in der Regierungszeit Katharinas II. nicht mehr durchsetzen können. Aktuell wurden solche Thesen erst wieder eine Generation später bei den Vorläufern der slavophilen Gedankenwelt.

Insgesamt hatten die Beiträge ein beachtliches wissenschaftliches Niveau, so dass daran gedacht ist, sie auch alsbald in überarbeiteter Form zu veröffentlichen. Der starken Selbstdisziplin aller Teilnehmer war zu verdanken, dass die Redezeiten nicht überschritten wurden und somit trotz des dichten Programms noch jeder Vortrag lebhaft diskutiert werden konnte. Dadurch wurde den Referenten die Chance zu zusätzlichen Informationen geboten und erschlossen sich mindestens andeutungsweise erweiterte Kontexte. Darüber hinaus ermöglichten Kaffeepausen und zwei Abendessen, zu denen das Deutsche Historische Institut einlud, dass sich auch jene Teilnehmer kennen lernen konnten, die sich noch nicht persönlich begegnet waren.

In die Kontinuität mit den eingangs erwähnten vorausgegangenen Tagungen über den Transfer westlicher Erfahrungen und Ideen nach Russland und deren Adaptation im 18. Jahrhundert fügt sich diese Konferenz im Deutschen Historischen Institut Moskau auch unter dem Aspekt, dass es im Grunde kaum wissenschaftliche Kontroversen, schon gar nicht zwischen russischen „revisionistischen“ und deutschen Historikern gibt, die das Forschungsgebiet strukturieren. Einen Zugewinn würde es bedeuten, solche Konferenzen für Historiker aus Drittländern zu öffnen. Damit es in der Fortsetzung eines solchen Tagungsbetriebs nicht zu einer positivistischen Faktenhuberei kommt, bedarf die Weite der Themen dringend der Eingrenzung oder der Synthesen mittlerer Reichweite, des Bezugs ideen-, kultur- und wissenschaftsgeschichtlicher Themen zur politischen und sozioökonomischen Geschichte des Russischen Reiches.

Anmerkung:
1 Grau, Conrad u.a. (Hgg.), Deutsch-russische Beziehungen im 18. Jahrhundert: Kultur, Wissenschaft und Diplomatie, Wiesbaden 1997; Karp, Sergej (Hg.), Francuzskie prosvetiteli i Rossija: issledovanija i novye materaly po istorii russko-francuzskich kulۥturnych svjazej vtoroj poloviny XVIII veka, Moskva 1998; Ders. (Hg.), Russko-francuzskie kul’turnye svjazi v epochu prosveščenija: materialy i issledovanija, Moskva 2001; Lehmann-Carli, Gabriela u.a. (Hgg.), Russische Aufklärungs-Rezeption im Kontext offizieller Bildungskonzepte (1700-1825), Berlin 2001; Duchhardt, Heinz; Scharf, Claus (Hgg.), Interdisziplinarität und Internationalität. Wege und Formen der Rezeption der französischen und der britischen Aufklärung in Deutschland und Rußland im 18. Jahrhundert, Mainz 2004.


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